Deutschsprachiger Indie-Pop mit Gefühl und Tiefgang: Holli nimmt uns mit auf eine melancholische Reise zu sich selbst. Manches kommt einem dabei bekannt vor. Eine Plauderei mit dem 26-jährigen Linzer Liedermacher Tobias Paal aka Holli, der in Wien sein Zuhause gefunden hat.

Interview: Elisabeth Patsios     Fotos: Problembär Records / Holli / Jana Perusich

m4l: Heißt du wirklich Holli?
Holli: Nein, erst seit meinem Zivildienst. Ich habe in einem Altersheim gearbeitet und eine alte Dame nannte mich immer Holli, weil ich angeblich wie ein Holländer aussehe.

Du hast vor kurzem dein Debütalbum „Der erste gute Tag“ veröffentlicht. Bist du happy?
Der Release war eine Erleichterung. Ich habe eineinhalb Jahre daran gearbeitet und viele positive Rückmeldungen bekommen. Aber die eigenen Songs dann im Radio zu hören, ist ein High, das nicht anhält.

„Eigene Songs im Radio zu hören, ist ein High, das nicht anhält.“

Wie bist du zur Musik gekommen?
Ich mache schon ewig Musik. Mein Vater ist Orchestermusiker und ich habe daher auch schon früh begonnen Instrumente zu spielen, zuerst Blockflöte, dann klassische Gitarre und E-Gitarre. In der Oberstufe bin ich ins Borg Linz gegangen, in den Zweig Popularmusik.

Ist sehr zu empfehlen, wenn man Popmusik spielt oder singt. Mittlerweile gibt es dort sogar Angebote für Texting und Producing.

  „Ich möchte mich beim Songwriting nicht mehr vom eigenen Leid abhängig machen.“

Wie funktioniert dein Songwriting?
Das Texting habe ich mir allein erarbeitet. Der Schreibprozess geht leichter, wenn ich eigene Sache verarbeite. Wenn ich gerade nichts aus meinem Leben greifen kann, weil sich nicht viel tut und ich meine Sachen nicht als mitteilungswürdig empfinde, kann ich wenig schreiben. Dann hole ich mir Inspiration von außen. Das fühlt sich besser an

Die Zeichen stehen also auf Weiterentwicklung?
Meine Perspektive hat sich verändert. Ich habe so viele Texte zum Thema Trennung geschrieben und möchte mich nicht mehr vom eigenen Leid und den damit verbundenen zwischenmenschlichen Erfahrungen abhängig machen.

Fühlt es sich für dich besser an, autobiographische Songs zu performen?
Definitiv. Gleichzeitig merke ich in letzter Zeit, dass ich Songs, in denen ich mein Herz ausschütte und meinen Ballast entlade, nicht mehr so gut interpretieren kann, weil ich sie schon so oft gespielt habe.

„Ich habe nie das Gefühl zu 100 % vorbereitet zu sein.“

 Hast du Lampenfieber vor einem Auftritt?
Kurz davor. Beim Soundcheck bin ich unruhig, weil ich den Überblick behalten will. Ich habe nie das Gefühl zu 100 % vorbereitet zu sein für den Gig.  Nach der zweiten Nummer verfliegt die Nervosität. Ob es am Ende gut war, weiß ich oft nicht. Da vertrau ich mir manchmal selbst nicht mehr, auch wenn Leute sagen, dass es super war.

Wo ordnest du deine Musik ein?
Das ist immer schwierig bei der eigenen Musik. Ich würde den großen Indies-Socken drüber stülpen. Indie Folk und Indie Pop ist es gerne, aber auch nicht immer.

Hast du einen Plan B zur Musik?
Irgendwas hakeln, wo ich halt nicht komplett untergehe. Aktuell arbeite ich im Theaterservice und bin finanziell nicht von meiner Musik abhängig. Was ich verdiene, stecke ich in Holli.

Warum schreibst du Songs auf deutsch?
Weil ich mich ein bisschen imposter-mäßig fühle, wenn ich auf englisch schreibe. Auf Deutsch kann ich mich gezielter ausdrücken.

Welche Musiker inspirieren dich?
Die deutsche Band Element of Crime hat mich dazu inspiriert deutsche Songs zu schreiben. Auch Wanda war anfangs wichtig für mich. Aktuell sind es eher englischsprachige Künstler wie die amerikanischen Folkbands Bon Iver und Milk Carton Kids oder der walisische Songwriter Novo Amor.

„Das Selbstdarstellungsding bei den Sozialen Medien stresst mich einfach.“

Wie nützt du Sozialen Medien?
Ziemlich viel, deswegen habe ich schon Probleme damit. Es beeinflusst die Hirnchemie, nicht auf eine gute Art und Weise. Für mich ist es ärgerlich, dass man sich grundsätzlich vermarkten muss. Das Selbstdarstellungsding stresst mich einfach. Ich hätte es einfach gerne nicht. Instagram und TikTok sind richtig lästig. Es ist schwer, den richtigen Umgang damit zu finden. Die sozialen Medien haben ihr Ziel definitiv fehlt. Könnte ich es mir aussuchen, würde ich die Sozialen Medien einfach löschen.

„Instagram und TikTok sind richtig lästig.“

Ist es einen Versuch wert?
Es würde mir auf jeden Fall sehr guttun. Hin und wieder verordne ich mir selbst eine Social-Media-Detox, lösche für einen Monat alles. Dann gehe ich doch wieder drauf. Denn Inspiration entsteht durch das Leben und das findet eben auch auf Instagram und TikTok statt.

Welche Erinnerungen hast du an deine Fahrschulzeit?
Das Kuppeln habe ich nicht ganz gecheckt. Parallel einparken vermeide ich bis heute gerne.  Ich bin beim ersten Mal durchgekommen, war aber zweimal im Kurs, weil ich es davor so schleifen habe lassen.

Hast du ein eigenes Auto?
Nein. In Wien vermeide ich das Autofahren. Da bin ich ein bissl ein Schisser. Hier habe ich einen Wagen zum Ziehen. Damit kann ich mein Equipment auch gut in Öffis und Zug transportieren.

Macht Autofahren Spaß?
Ja, am Land auf der Landstraße herumfahren ist super. Am besten allein. Ich habe da eine Performing-Anxiety, wenn ich andere herumkutschiere. Ich fühle mich dann, als müsste ich etwas beweisen.

Was sind deine absoluten Don´ts beim Autofahren?
Wenn Fußgänger den Zebrastreifen missachten. Zu knapp jemanden auffahren.

 Was war deine schlimmste Verkehrssünde?
Bei Rot über den Zebrastreifen gehen. Dabei hätte mich ein Taxler fast zusammengeführt.

INFO: HOLLI
Bürgerlicher Name: Tobias Paal
Geburtstag-, ort:  20.12.1996, Linz, Oberösterreich
Wohnort: Wien
Instrumente: Blockflöte, Gitarre, Bass
Debütalbum: „Der erste gute Tag“ (2023 Problembär Records)
Weitere Bandprojekte: Künstlerkollektiv More than friends
Termine Holli 2023 Wien: 3.09. Loft SOLO / 18.10. LOOP / 22.11. Kramladen