Im Haifischbecken der Musikindustrie fühlen sie sich pudelwohl: Das Wiener Band-Trio Sharktank hat mit unverwechselbaren Indie-Rap-Songs ein neues Genre begründet. Ein Gespräch mit Bandrapper Mile.

Interview: Elisabeth Patsios Fotos: Hanna Fasching, ReaVonDerLiszt

Seid Ihr die neuen Haie in der österreichischen Musikszene?
Wir fanden, dass dieser Name gut zu uns passt. Aber wir sind nicht die, die andere wegfressen, sondern machen unser eigenes Ding. Allerdings sind wir uns der Tatsache bewusst, dass wir uns in der Musikindustrie in einer Art Haifischbecken bewegen.

Wie ist die Band entstanden?
Marco und ich kannten uns schon länger und wir wollten schon immer etwas gemeinsam machen. Nach den ersten Versuchen waren wir uns einig, dass es cool wäre mit weiblichen Vocals ein zusätzliches Element dabei zu haben. Marco kannte Katrin von der Pop-Band Oehl und es hat auf Anhieb super geklappt. Sie war nicht bloß eine Zusatzstimme, sondern von Anfang an ein superschnell denkendes Bandmitglied, das sich aktiv einbringt.  So ist Sharktank entstanden und die Songs sind poppiger geworden.

Altersmäßig seid ihr weit auseinander.
Das stimmt. Ich bin 34, Marco ist 25 und Katrin ist 20 Jahre alt. Wir connecten auf einer anderen Ebene, da macht das Alter keinen so großen Unterschied. Es gibt ganz viele gleichaltrige Menschen, mit denen ich nicht klarkomme. Katrin ist immer da, wenn es um etwas geht. So war ich in dem Alter nicht, muss ich zugeben. Da war ich teilweise zu flexibel.

 „Unsere Songs fühlen sich roh an und das ist schön.“

Wie beschreibst du eure Musik?
Unsere Songs fühlen sich roh an und das ist schön. Dieses Gefühl macht uns als Band aus. Indie-Rap sagen mittlerweile die meisten, wir selbst beschreiben unseren Stil aber nicht. Es kommen bei uns so viele Einflüsse zusammen. Es fühlt sich an wie ein ganz eigener Stil mit Hiphop-Elementen, Beats und Samples, die wir selber machen. Teilweise haben wir komische Songstrukturen und es fühlt sich von den Parts her wie drei Songs in einem an.

Viele Leute mögen eure Musik auf Anhieb. Eure Debüt-Single „Washed Up“ hielt sich Ende 2020 mehrere Wochen auf Platz 1 der FM4-Charts. Wie hat sich dieser plötzliche Erfolg angefühlt?
Dieser Moment, wenn ein Song von uns im Radio gespielt wird, ist immer noch lustig für uns. Wir hatten nicht den Approach die beste Band zu werden. Wir hätten auch gemeinsam Musik gemacht, wenn sich niemand dafür interessiert hätte. Jetzt spielen wir Konzerte, geben Interviews oder ein Fernsehteam kommt vorbei. Das war nie der Plan. Besonders schön ist es, wenn Leute erzählen, was unsere Musik mit ihnen macht. Letztens hat uns eine Therapeutin kontaktiert, weil sie den Text zu unserem Song For Myself in der Arbeit mit ihren Patienten einsetzen möchte. Wenn man sieht, dass die eigene Musik anderen Menschen sogar helfen kann, ist das eine erhebende Sache.

Wie funktioniert euer Workflow?
Katrin und ich schreiben die Texte. Wir einigen uns auf ein Thema und dann behandelt jeder das Thema aus seinem eigenen Blickwinkel. So vereinen wir verschiedene Sichtweisen. Marco produziert die Drums. Wenn ich mich um 16.00 Uhr mit der Band treffe, will ich um 19.00 Uhr fertig sein. Dieser Arbeitsprozess funktioniert bei uns. Wir lassen uns einfach vom Moment treiben. Wir schreiben und nehmen gleich auf. Unsere Musik passiert einfach und ist ehrlich. Manche Songs fühlen sich fröhlich an, die Lyrics sind wiederum sehr deep und das macht die Mischung aus. Diese Emotion können die Leute spüren.

Woher nimmst du deine Inspiration?
Bei mir ist Inspiration ziemlich losgelöst, passiert unbewusst. Ich sehe Dinge und höre Musik. In solchen Momenten drossle ich mich sogar selbst und spare mir den kreativen Prozess für das Treffen mit der Band auf. Den anderen beiden geht es genauso. Wir gehen gegenseitig auf unsere Texte ein.

„Alle Tracks sind unsere Babies.“

Hast du einen Sharktank-Lieblingssong?
Alle Tracks sind unsere Babies. Sie sind auch alle cool live zu spielen. In jedem Track steckt so viel von uns selbst. Er bringt uns an Momente zurück, die wir miteinander erlebt haben. Es ist nicht einfach nur ein Song, es ist ein gemeinsames Erlebnis.

Hast du eine klassische Musikausbildung?
Nein für Rapper gibt es das nicht ;-). Ich habe als Kind viel Rapmusik gehört, mir alles selbst beigebracht und mich von alleine dazu motiviert. Ich habe das große Privileg mit zwei super Musikern zusammen zu arbeiten, die beide gefühlt so ziemlich jedes Instrument spielen können. Das beschleunigt den musikalischen Prozess. Ich sehe mich als Textschreiber, bei den Gesangsmelodien gehe ich nach Gefühl. Dieses instant feedback in der Band ist ziemlich cool. Wenn du alleine schreibst, bist du dir ohne musikalische Ausbildung nie zu hundert Prozent sicher.

Wie kommt man als junge Band um die Runden?
Marco lebt rein von der Musik, er produziert viel. Ich arbeite auch als Journalist und Katrin studiert Musik. Wenn man ein startup gründet, wirft das im ersten Jahr auch noch nichts ab und nun sind ja wieder Konzerte und Shows geplant. Wir bleiben aber zurückhaltend. Corona hat uns das Warten gelehrt.

Euer erstes Konzert heuer war das Sitzkonzert im Wiener WUK. War das eigenartig?
Überhaupt nicht. Die Leute waren einfach happy, auch wenn sie Maske tragen und sitzen mussten. Es ging im Corona-Jahr alles ganz langsam und plötzlich ist fast alles wieder normal möglich. Das ging mit fast zu schnell. Ich hätte generell mit großen Veranstaltungen noch zugewartet und zurückhaltender agiert. Die Bilder von so vielen Menschen an einem Ort sehen jetzt noch immer komisch aus für mich. Ein paar weitere Monate zuwarten hätte jetzt auch keinen großen Unterschied gemacht. Wenn es aber nach hinten losgeht, dauert es wieder ewig.

Welche Musik hörst du privat?
Ich höre viel Rap und Trap, aber auch ganz viel Beatles. Die Beatles haben bodenständige Songs geschrieben, sie hatten Witz und man konnte sich leicht damit identifizieren. Für unsere Musik versuche ich die Inhalte aus Zeiten zu nehmen, in denen Musik noch anders gemacht wurde und es nicht darum ging megaschnell über einen Beat drüber zu rappen. Ich höre auch ganz viel Underground. In der Cloudrapszene hören sich manche Beats sogar schlecht an und die Baseline macht keinen Sinn, aber die Songs funktionieren trotzdem.

„Tracks basierend auf Spotify Algorithmen werden nie etwas Einzigartiges sein.“

Kann man auch mit günstigen Mitteln gute Musik machen?
Absolut. Es sollte sich nur nicht nach Industriekonzert anhören. Nur weil Spotify Algorithmen dir sagen, was gut ist, heißt das noch lange nichts. Es ist schade, denn manche Leute könnten ihre Zeit sinnvoll investieren, um einen eigenen Stil zu entwickeln. Sonst ist es nur die Kopie von der Kopie. Es wird vielleicht sogar funktionieren, aber niemals etwas Einzigartiges sein.

Du kommst aus der Steiermark. Wie fühlst du dich in Wien?
Ich bin in Weiz und Graz aufgewachsen, und lebe seit sechs Jahren in Wien. Ich habe eine Zeit lang gebraucht, um mich hier einzufinden, aber mittlerweile fühle ich mich in Wien immer wohler. Wenn man wie ich aus einer steirischen Kleinstadt kommt, erscheint Wien riesig. Es gibt hier so viele Möglichkeiten, dass man sich anfangs schwer fokussieren kann. Aber ich fahre immer wieder in die Steiermark zur Entschleunigung.

Hast du Lieblingsplätze in Wien?
Wien hat gerade im Sommer so viel zu bieten. Ich gehe gern an der Donau schwimmen und bin oft in der Gegend rund um das Museumsquartier unterwegs. Ich bin ja mittlerweile Vater und mein Sohn ist eineinhalb Jahre alt. Da sind wir natürlich auch viel in der Natur unterwegs, im Laaer Wald oder im Lainzer Tiergarten.

Hast du ein eigenes Auto?
Nein. Anfangs hatte ich noch eines, aber es zahlt sich für mich in Wien einfach nicht aus. Das Auto stand die ganze Woche nur herum, war irgendwo geparkt. Wenn ich jetzt ein Auto brauche, borge ich mir einfach eines aus.

SHARKTANK

Debütsingle: „Washed Up” (2002)
EP: „Bad Energy“ (2020)
Debütalbum: “Get It Done” (2021)