Reudig. Leidenschaftlich. Weise. Mit ihrer frischen Wiener Band LÖVEN zeigen Sami Fischer und die Zwillingsbrüder Gregor und Paul Sailer ihre catchy Seite und liefern einen wilden Sound, der sich wie ein Zeck im Gehörgang verbeißt. Ein Gespräch mit Alphamännchen Sami Fischer.

Interview: Elisabeth Patsios Fotos: LÖVEN

movin4LIFE: Deine Lebensgeschichte ist ein offenes Buch. Du bist der Sohn eines Pfarrers und einer britischen Missionarin, die sich letztlich als Alleinerzieherin durchkämpfen musste, während du Züchtigungen von Männern aus dem Kirchenverbund ausgesetzt warst. Deine Antwort darauf waren Schlägereien und Diebstähle, aber dein Zufluchtsort war immer die Musik. Mittlerweile bist du zweifacher Vater. Ist deine Offenheit eine Flucht nach vorne?
Sami Fischer: Jeder Künstler hat etwas zu bewältigen. Wenn man mit sich und mit der Welt ganz rund wäre, hätte man nichts zu sagen. Jedenfalls nichts Bedeutungsvolles um andere zu inspirieren. Wenn man über eigene Schattenseiten spricht, identifizieren sich auch Leute damit, die vielleicht selbst nicht formulieren können, was sie spüren.

„Jeder Künstler hat etwas zu bewältigen.“

Wie bist du zur Musik gekommen?
Songwriting hat nie begonnen. Performen hat nie begonnen. Es war einfach da. Meine englische Familie hat mir als Kind beim Orgelspielen zugehört. Auch das war schon eine Performance.

Warum habt Ihr mit LÖVEN eine neue Band gegründet, wo Ihr doch seit über zehn Jahren als Alternative Rockband „My Glorious“ bekannt seid?
Die Idee war „My Glorious“ mit „LÖVEN“ zu entlasten. Wir standen vor der Frage, machen wir alternative Musik oder etwas, das catchy und poppy ist. Wenn du beides in einer Band vereinst bist du weder das eine oder das andere. Aber wir konnten das Popdasein nicht imitieren und LÖVEN ist jetzt doch ziemlich alternativ.

Besteht „My Glorious“ weiter?
Ja, und 2020 werden wir wieder was Neues rausbringen.

Worum geht es den LÖVEN?
Wir sind keine typischen Hypler, auch keine Punks und finden nicht die ganze Welt Scheiße. Wir sind normale erwachsen werdende Menschen, die wissen, dass es keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen gibt.

FM4 hat Eure erste Single „Anananda“ Anfang 2019 noch vor dem offiziellen Release gespielt und im Sommer auch die zweite Single „Immer mehr, Immer mehr“ in Rotation genommen. Ein erfolgreiches Jahr…
Mit „My Glorious“ hatten wir volle Buden. In den USA lief es super, am Balkan auch, aber in Österreich – wurscht. Wenn du zehn Jahre lang Abweisung erfahren hast, erwartest du im elften Jahr nicht wirklich etwas. Dass „Anananda“ chartet und jeden Tag bei FM4 rennt, konnten wir nicht glauben. Die logische Fortführung war „Immer mehr, immer mehr.“ Das hat FM4 zum Glück auch so gesehen.

Woher kommt eure musikalische Vielseitigkeit?
In erster Linie sind wir leidenschaftliche Musiker. Es gäbe zehn Musikstile in denen wir uns bewegen könnten. Und wir haben alle drei am Gustav Mahler Jazzkonservatorium studiert.

Was hast du vor dem Konservatorium gemacht?
Zwischen Gymnasium und Zivildienst hatte ich viele Jobs, vom Pizzafahrer bis zum Telefonvertragsverkäufer. Nach dem Zivildienst habe ich das Musikstudium begonnen, bin nebenbei Teilzeit in die IT-Szene hineingerutscht und habe gesehen wie viel Geld man mit wenig Aufwand verdienen kann. Zehn Jahre bin ich dort picken geblieben, dann ins Management aufgestiegen, Nachmittags war ich im Studio. Auch Gregor und Paul habe ich in die Firma geholt und so konnten wir auch mal ein Monat auf Tour sein. Man muss den Mut haben das Abenteuer zu leben. Ich habe das, was ich gern mache immer an erste Stelle gestellt.

Wie funktioniert Eure Dreierbeziehung?
Gregor und Paul sind Zwillinge und als wir uns kennengelernt haben war es eine musikalische Nutzbeziehung. Wir mussten uns zusammenraufen. Die beiden stammen aus gutbürgerlichem Haus in Baden mit schön gemähtem Rasen, waren damals ur schüchtern und ich war schon immer eher forsch. Es war eine Challenge. Heute hat jeder seine Meinung und es geht sich aus.

„Unsere Musik ist komprimierte Lebenserfahrung – catchy formuliert.“

Wie funktioniert dein Songwriting?
Seit ich denken kann, wollte ich Musik machen. Ich hab ganze Koffer voll mit Textzetteln. Ich schreibe über vieles was ich über mich oder andere weiß. Gregor und Paul helfen mir Formulierungen zu identifizieren, die sperrig sind oder bemüht schlau wirken.

Wie wichtig sind Soziale Medien?
Für uns persönlich völlig unwichtig aber für das Leben als Musiker geht es nicht ohne. Wie viele Radiosender uns schon abgelehnt haben, weil wir zu wenig User oder Streams haben. Obwohl das qualitativ keine Aussage ist.
In Wahrheit glaube ich, dass unsere Zielgruppe nicht oder weniger in Sozialen Medien unterwegs ist. Denn wir sprechen Leute an, die ein Leben haben. Weil unsere Themen aus einem Leben kommen, das ein Leben hat. Diese Leute haben keine Zeit irgendwem zu folgen. Sie haben einen Job, vielleicht Kinder und einen Partner, der hoffentlich interessanter ist als irgendein Influencer.

„Für mich war Musik ein Zufluchtsort. Allerdings wünsche ich niemandem einen Zufluchtsort haben zu müssen.“

Welche Musiker magst du?
Ich bin ein großer Fan von Queen, habe absolut alles an Merchandise und früher jede CD mit erspartem Taschengeld gekauft. Ich bin zu Queen schlafen gegangen und damit aufgestanden. Es war Jahre lang mein Lebensinhalt. Es ist sehr emotionale Musik, lässt es aber nicht raushängen. Ich mag keine leidige Musik. Mit Betroffenheitspop kannst mich jagen. Auch Kanye West und Kendrick Lamar taugen mir, ebenso Katy Perry und Taylor Swift. Von den österreichischen Musikern mag ich Avec, die Lorbeeren und Simon Lewis.

Wie entstand der Bandname LÖVEN?
Wir haben etwas mit einer visuellen Komponente gesucht. Wenn man Löwen googelt, bekommt man allerdings Millionen Raubkatzen angezeigt. Daher wurde es LÖVEN.

Hast du Vorbilder?
Die meisten berühren mich damit, dass ich so nicht werden will. Wir haben gemeinsam auf Tour miterlebt, wie die deutsche Band Jupiter Jones 2011 mit „Still“ einen Hit landetet, der alle Preise abräumte, es aber nicht schaffte nachzulegen, weil sie nur noch das taten was andere wollten.

„Im erfolgreich Scheitern sind wir sehr, sehr gut.“

Gibt es LÖVEN Ratschläge für junge Musiker?
Wir drei sind eine Autorität im erfolgreich Scheitern, darin etwas Großes zu wollen und dranzubleiben, wenn es nicht hinhaut. Es braucht kreative Ideen, wie man wirtschaftlich überleben kann und dabei die Motivation behält. Mit unserer ersten Band haben wir sogar eine Aktiengesellschaft gegründet und Anteile daran verkauft. Niemand ist dadurch reich geworden, aber viele haben ein Abenteuer erlebt.

Hast du Lampenfieber?
Wenn man Musik macht präsentiert man etwas sehr Intimes. Die Angst davor abgelehnt zu werden hat man meistens, ich kenne sie gut.
Wir haben mal in einer deutschen Studentenbude gespielt. Die Leute haben während eines sehr persönlichen Songs gegrölt und nicht zugehört. Da habe ich der Menge gesagt, es sollen jetzt alle kusch sein und mit dem Rücken zum Publikum gespielt.

Wie beurteilst du die österreichische Musikszene?
Talent ist viel da und auch mehr Bereitschaft als früher zuzuhören. Das lag früher wohl am österreichischen Minderwertigkeitskomplex zu glauben, ein deutscher oder englischer Künstler sei sicher besser als ein österreichischer. Unsere Medienlandschaft hat jedenfalls über Jahre so agiert. Oft habe ich gehört, wenn man international was reißen will, muss man auch international klingen. Was soll das überhaupt bedeuten? Sollte damit eine schlechte englische Aussprache gemeint sein. Geh bitte, das Problem haben wir längst nicht mehr.

Österreich oder doch lieber die große, weite Welt?
Die Leute glauben oft, sie hätten riesige Probleme. Ein echtes Problem ist, in einem Land zu wohnen, wo du verhungern musst, wenn du nichts hast. Ich mag an Österreich das Gefühl einer enormen Sicherheit. Wenn nichts mehr geht, muss ich halt Kloputzen – auch okay. Ein Scheißjob, aber man lebt.

Welche Erinnerungen hast du an deine Fahrschulzeit?
Ich habe mit einem 3er Golf gelernt, bin gleich durchgekommen und war froh, kurz darauf ein Auto zu haben.

„Mit Autos habe ich viele Blödheiten erlebt.“

Deine größten Verkehrssünden bisher?
Ich hab recht viele Blödheiten mit Autos erlebt. Einmal habe ich bei einem Preisausschreiben ein Motorrad gewonnen, es gleich neu verkauft und mir darum nur die dümmsten Dinge zugelegt wie Sportblenden und ein Sportlenkrad. Dass man ein Sportlenkrad auch während der Fahrt abschrauben kann, habe ich auf der Südautobahn ausprobiert. Dann bin ich ohne Lenkrad ein bissl herum gefahren und hab es währenddessen wieder angeschraubt.
Als ich erst ein paar Tage den Führerschein hatte, bin ich neben irgendwem bei der Ampel in Purkersdorf gestanden. Er ist schneller als ich weggezogen und voll frontal in einen Baum rein. Im ersten Schock bin ich weiter gefahren. Das war falsch. Jahre später habe ich erfahren, dass damals zum Glück nix Schlimmes passiert ist.

Welches Auto fährst du aktuell?
Einen VW Touran mit viel Platz für unser Equipment.

Fluchst du im Auto?
Was mein Temperament im Straßenverkehr anbelangt bin ich eher ein Mensch von nobler britischer Zurückhaltung.

Dein No-Go im Straßenverkehr?
Kinder zu gefährden. Ich war Schülerlotse im Zivildienst und es ist idiotisch wie die Leute fahren und wie knapp es oft ist.

Geht es auch ohne Auto?
Ich bin niemand, der überall mit dem Auto hinmuss. Da braucht man nicht Grün zu wählen, um umweltschonend zu denken. Mit der Bim komme ich in Wien überall hin.

Wie geht es mit LÖVEN weiter?
Wir werden 2020 ein paar Singles herausbringen. Wenn etwas nach Deutschland überschwappt oder in Österreich einen größeren Radius bekommt, freuen wir uns. Aber wir haben einfach keinen Stress mehr.

Welche Persönlichkeit hättest du gerne bei einer Autofahrt an deiner Seite?
Bruce Springsteen. Mit ihm könnte ich ganz gut lang plaudern.

Die persönliche LÖVEN Top-10-Tracklist für die Autofahrt:

  1. Thunder Road – Bruce Springsteen
  2. Many of Horror – Biffy Clryo
  3. Virgin – Manchester Orchestra
  4. Perth – Bon Iver
  5. Hinach Yafah – Idan Raichel
  6. Give me your fire, give me your rain – Paper Kites
  7. Condemnation – Depeche Mode
  8. Good old fashioned lover boy – Queen
  9. This gift – Glen Hansard
  10. Viva la vida – Coldplay


LÖVEN
Genre: Alternative Pop
Bandmitglieder: Sami Fischer, Gregor & Paul Sailer
Singles: „Anananda“ & „Immer mehr“ (beide 2019)
Produzenten: Popmaché
Erste gemeinsame Band: My Glorious (gegr.2008)
Sami Fischer: 1982 in Oberösterreich geboren, beginnt mit vier Jahren Klavier zu lernen, mit acht Gitarre. Als Teenager erstes Songwriting.
Konzert: 14.12., LÖVEN presented by FM4, Sargfabrik, Wien