Die Charakter Hopperin

Verzweifelte Gynäkologin oder schroffe Nymphomanin – Karin Lischka lebt ihre Rollen.
Sie ist eine Künstlerin der Verwandlung. Eine Jägerin echter Emotionen und eine verdammt gute Schauspielerin. Ein Gespräch über die Liebe zu Extremen.

Fotos: Lili Schwabe, Marisa Vranjes, Florian Waizbauer

movin4LIFE: Du bist erst kürzlich als „Best Actress“ beim Indian Cine Filmfestival in Mumbai für deine Rolle in „Unterdruck“ ausgezeichnet worden. Kam dieser Preis überraschend?
Karin Lischka: Das kam total überraschend! Ich habe davon erfahren, als ich gerade am Sprung aus der Wohnung war. Leider konnte ich beim Filmfestival in Mumbai nicht persönlich dabei sein. Es wäre eine schöne Möglichkeit gewesen wieder einmal nach Indien zu fahren.

Du spielst in Serien, sowie in Film- und Theaterproduktionen. Was liegt dir am meisten?
Jede Sparte hat ihren Zauber. Am Theater genieße ich die Unmittelbarkeit und den direkten Kontakt mit dem Publikum. Beim Film und Fernsehen liebe ich die Genauigkeit und die feinen Nuancen, die mit der Kamera möglich sind. Man muss schnell und präzise umsetzen können. Die Kamera verlangt außerdem eine große Natürlichkeit.
 Das mag ich. Und natürlich ist es schön, beim Drehen andere Orte kennenzulernen und dort zu arbeiten.

In „Unterdruck“ spielst du eine Ärztin, die an ihre Grenzen geht. In der ORF- Serie „Vier Frauen und ein Todesfall“ spielst du eine Nymphomanin. Schlüpfst du gern in so unterschiedliche Charaktere?
Je schräger oder extremer die Rollen, desto interessanter und herausfordernder ist die Arbeit. Die Gynäkologin Clara, die ich in „Unterdruck“ spiele, ist eine eher stille in sich geschlossene Figur. In „Vier Frauen und ein Todesfall“ spiele ich Gudrun, die nymphomanische Frau des neuen Dorfpolizisten. Gudrun will, dass ihr sanftmütiger Mann endlich ein richtiger Kerl wird und versucht ihn mit allen Mitteln aus der Reserve zu locken. Dieser Charakter ist unheimlich schräg, lustig und exaltiert. Solche Rollen zu spielen, macht mir großen Spaß.

Wie bereitest du dich auf eine Rolle vor?
Das kommt immer auf die Rolle an. Für „Unterdruck“ habe ich viele Gespräche mit Gynäkologen und Psychologen geführt und hatte eine Einschulung im Spital, um Untersuchungen wie Ultraschall bei Schwangeren im Film realistisch darstellen zu können. Für meine Rolle in „Atmen“ war ich hingegen auf Beisltour in Favoriten, um die Figur in ihrem Umfeld besser erfassen zu können und den Dialekt zu studieren.
Welchen Charakter würdest du noch gerne spielen?
Ich bin offen für alles. Oft zaubert das Leben einem ja die tollsten Dinge in die Hand, an die man vorher selber nie gedacht hätte.

Kennst du Lampenfieber?
Lampenfieber im lähmenden Sinn nicht. Aber eine konzentrierte Nervosität vor einem Auftritt schon. Diese bringt dann auch eine Exaktheit im Spiel und das ist toll.

„Oft zaubert einem das Leben die tollsten Dinge in die Hand, an die man vorher selber nie gedacht hätte.“

Warum hast du dich für den Beruf
 der Schauspielerin entschieden?
Angefangen habe ich mit einem Musicalstudium, da ich immer gern gesungen habe. Während der Ausbildung hat sich bald gezeigt, dass das
mich Schauspiel besonders interessiert.
Ich habe dann ein Schauspielstudium absolviert und wurde nach meiner Ausbildung gleich ans Theater in der Josefstadt engagiert und dann weiter
ans Burgtheater. Ein bisschen später 
kam der Film dazu. Was ich mag ist die Vielfältigkeit in diesem Beruf.

Gab es dafür in deiner Jugend Vorbilder?
Nicht direkt, aber ich hatte eine sehr engagierte Deutschprofessorin, die mit uns jede Woche ins Theater marschiert ist. Vom Burgtheater bis zu kleinen Off-Bühnen war alles dabei. Das hat mein Interesse geweckt.

Wie hast du es letztlich geschafft in der Schauspielerei Fuß zu fassen?
Es war einfach viel Glück dabei zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Es gibt viele tolle Kollegen und oft hat die Entscheidung, wer für eine Rolle besetzt wird, nichts mit dem Können zu tun. Manchmal muss man einfach der richtige Typ sein. Was aber in jedem Fall wichtig ist, ist Disziplin und gute Vorbereitung. Schauspielerei hat viel mit Neugierde und Offenheit zu tun und natürlich mit Empathie. Sowohl der eigenen Rolle gegenüber als auch den Kollegen.

Welche Karrieretipps hast du für die Schauspieler von morgen?
Eine gute Ausbildung ist sehr wichtig. Und man braucht einen langen Atem. Dieser Beruf ist nicht einfach. Man muss wirklich davon überzeugt sein, diesen Weg gehen zu wollen.

Wirst du auf der Straße erkannt und wie gehst du damit um?
Manchmal. Ich freue mich eigentlich immer darüber, da die Leute erzählen in welcher Rolle man ihnen besonders gut gefallen hat. Das ist ein wunderschönes Lob.

Welche Erinnerungen hast du an deine erste Rolle?
Das war die Rolle der Zwergin in
 „Der Zauberberg“ bei den Festspielen Reichenau. Dieses junge verkrüppelte Mädchen ist ein kleines stilles Zauberwesen, gefangen in einem kranken Körper. Eine herausfordernde Rolle.

Hast du einen Lieblingsfilm?
Nein, aber der letzte schöne Film, der mich berührt hat war „Frantz“ von Francois Ozon.

Wie beurteilst du die österreichische Filmlandschaft?
Es gibt viele tolle Regisseure und Geschichten, die erzählt werden wollen. Aber nur wenige können realisiert werden, da es immer an Geld fehlt.

Hast du je darüber nachgedacht Österreich für den Job zu verlassen?
Bisher hat es sich nicht ergeben. Das Gute am Filmedrehen ist, dass man immer wieder länger weg ist, aber ebenso gern nach Hause zurück kommt. Ich liebe Wien sehr. Sollte es beruflich aber notwendig sein, würde ich auch umziehen.

Bist du eher Stadt- oder Landmensch?
Prinzipiell eher ein Stadtmensch. Ich habe allerdings das große Glück am Stadtrand zu wohnen und bin in fünf Minuten im Wienerwald oder in den Weinbergen, wo ich stundenlang herumlaufen kann. Diese Vielfältigkeit einer Großstadt wie Wien ist wunderbar.

Wenn gerade kein Dreh ansteht, wie verbringst du deine Zeit am liebsten?
Ich reise gerne und sooft wie möglich. Ich liebe gute Restaurants und koche auch gerne selbst. Ich verbringe auch viel Zeit bei Spaziergängen mit meinem Hund. Und ich liebe gute Bücher.

„Ich mag die Vielfältigkeit im Schauspielberuf.“

Bist du persönlich lieber mit dem Auto oder öffentlich unterwegs?
Wenn ich meinen Hund dabei habe, lieber mit dem Auto. Sonst fahre ich auch gerne öffentlich.

Gas geben oder lieber Cruisen?
Ganz nach Stimmung. Hab ich‘s eilig bin ich eher flott unterwegs. Will ich die Landschaft genießen, fahre ich langsamer, schau gern aus dem Fenster und hänge meinen Gedanken nach.

Fluchst du auch mal im Auto?
Ja 🙂

Welche Erinnerungen hast du an deine Zeit in der Fahrschule?
Leider nur Schreckliche. Ich hatte einen sehr ungeduldigen, cholerischen Fahrlehrer. Richtige Freude am Autofahren habe ich erst mit dem eigenen Auto entwickelt.

Bist du gleich beim ersten Mal durchgekommen?
Ja.

Deine persönlichen Don‘ts beim Autofahren:
30 km/h in der 50er Zone fahren. Das finde ich schrecklich und macht mich nervös.

Deine bisher größte Verkehrssünde?
Zu schnelles Fahren.

Welche berühmte Persönlichkeit hättest du gerne bei einer langen Autofahrt an deiner Seite?
Vanessa Redgrave. Sie ist eine fantastische Schauspielerin und sehr interessante, politisch engagierte Persönlichkeit. Eine außergewöhnliche Frau mit einem nicht immer leichten Lebensweg. Ein Gespräch mit ihr über ihre Sichtweise des Schauspielberufes und des Lebens wäre sehr spannend!

Deine persönliche Top-10-Tracklist für die Autofahrt:
Beim Autofahren höre ich ausschließlich Radio. Bei längeren Fahrten am liebsten Ö1.

Karin Lischka – INFO

Geburtstag/-ort: 16. Juni 1979, Wien
Ausbildung: 1998-2002 Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (Schauspiel)
Debüt: 2011 die Rolle der Zwergin in “Der Zauberberg“ / Festspiele Reichenau
Erste Filmhauptrolle: 2011 „Atmen“
Auszeichnung: 2016 „Best Actress“ / Indian Cine Filmfestival in Mumbai für „Unterdruck“
Aktuell: ORF-Serie „Vier Frauen und ein Todesfall, „Spuren des Bösen“